Akif Pirinçcis Tiraden sind indiskutabel. Trotzdem muss man ihn schon richtig zitieren. Sein KZ-Satz bezog sich nicht auf Flüchtlinge, sondern auf “Asylkritiker“, zu denen er Pegida und natürlich sich selbst zählt. Hier daher nochmal das vollständige Zitat: „Offenkundig scheint man bei der Macht, die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm [dem „Asylkritiker“] schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann, wenn er gefälligst nicht pariert. Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ Hintergrund für diesen Satz war ein Bürgerforum in Kassel-Lohfelden, bei dem Dr. Walter Lübcke, Regierungspräsident des Regierungsbezirks Kassel, Zwischenrufer, die ihren Unmut gegen die Einrichtung eines Flüchtlingslagers zum Ausdruck brachten, u.a. mit den Worten abkanzelte: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen“. Mehr dazu hier.
Es ist also eindeutig erkennbar, dass Pirinçci den KZ-Satz nicht auf Flüchtlinge bezogen artikulierte. Trotzdem wurde in nahezu allen wichtigen Medien die umgekehrte Deutung des Satzes vermittelt. Diese unangemesse Berichterstattung ist nur Wasser auf die Mühlen von Pegida und Hetzern wie Pirinçci, denn letztendlich fundamentiert es deren Bild von der sogenannten System- und Lügenpresse. Pirinçci hat nun gegen zahlreiche Medienhäuser Klage eingereicht. Er wird Recht bekommen und am Ende müssen diese Unterlassungserklärungen und Widerrufe abgeben. Teilweise ist dies schon geschehen. Ich appelliere daher an alle seriösen Medienleute, recherchiert anständig, zitiert korrekt und lasst euch nicht von einzelnen Wörten verführen. Ja, er hat das böse KZ-Wort gesagt, aber eben nicht in dem Sinn, wie anschließend drüber berichtet wurde.
Einen ausführlichen Artikel von Stefan Niggemeier zu diesem Thema finden Sie auf FAZ.net.
The documentary „Swastika“ [1974] by Philippe Mora / die Dokumentation „Swastika“
Wer denken kann, der denke
Fragment eines Manifests
von Björn Buxbaum-Conradi und Fabian Butzbach
Frankfurt am Main – Januar 2011
[Download des Textes als PDF hier]
Die aufgeklärte westliche Wissenskultur ist ein hohes Gut. Insgesamt profitieren wir von den Erkenntnissen, die sie hervorgebracht hat, auch wenn stets eine missbräuchliche Nutzung von Wissen möglich ist. Das wissenschaftliche Ideal unter Schutz zu stellen, gehört zum Selbstverständnis unserer Zivilisation. Und doch deuten viele Phänomene unserer Zeit darauf hin, dass unsere Wissenskultur sukzessive unterwandert wird und einer Wiederbelebung bedarf. Wie könnte eine solche Wiedergeburt aussehen? Die Verfasser Björn Buxbaum-Conradi und Fabian Butzbach werden dieser Frage hier nachgehen. Um klar zu sehen, wird eine Bestandsaufnahme ohne Beschönigung notwendig sein. In gemeinsamer Anstrengung soll schließlich ein Gegengewicht geschaffen werden zu Pseudowissenschaft, Esoterik, Populismus, Verschwörungstheorien, religiöser Engstirnigkeit sowie all jenen, die direkt oder indirekt, absichtlich oder aus Nachlässigkeit, wissend oder unwissend, ein Gefüge der Unvernunft mit aufbauen oder nichts dagegen unternehmen.
Einleitung
Denker aller Zeitalter liebten große Worte. Getrieben von der Vorstellung, dass der Mensch ein Vernunftwesen sei, frei in seinem Handeln und ausgestattet mit einer unsterblichen Seele, wurde er zur Krone der Schöpfung, ja zum höchsten Wesen überhaupt erklärt. Nur Gott als Weltenschaffer und oberster Richter war dem Menschengeschlecht übergeordnet.
In einem Jahrtausende währenden Prozess entfachte der menschliche Geist ein Licht, das die Beschaffenheit der eigenen Art bis zur feinsten Zellstruktur durchleuchten sollte: An die Stelle menschlicher Überhöhung trat im Zuge der Entzauberung der Welt durch die exakten Wissenschaften eine für das menschliche Selbstverständnis nur schwer hinnehmbare Erniedrigung. Der Mensch stammte seither nicht von Gott, sondern vom Affen ab; der Geist führte kein immaterielles Eigenleben mehr, sondern stand und fiel mit der Intaktheit des Gehirns. Und von der Liebe zwischen den Geschlechtern blieb nur ein arterhaltender, durch Neurotransmitter generierter Rauschzustand.
Zentrale Begriffe der Philosophie fielen wie Steine zu Boden: Wahrheit ist formal nicht mehr als der Wert einer propositionalen Funktion; Schönheit degradierte zum subjektivistischen Füllwort ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit; Chancengleichheit als Bedingung für Gerechtigkeit wurde in einer Welt, in der die Macht der Gene herrscht, zu einem unmöglichen Versprechen; der Glaubean einen allmächtigen und gleichzeitig gütigen Gott ist nicht erst seit den Gewaltexzessen zweier Weltkriege und dem Holocaust ein Unding, und die seit Urzeiten gepriesene menschliche Freiheit entpuppte sich im Lichte der Neurobiologie als Illusion – oder aber als Fluch, wenn sie doch existieren sollte, denn wer frei ist, ist verantwortlich für sein Tun. Aber – und das ist das Gute daran: All diese Verwerfungen althergebrachter Vorstellungen haben ihre Berechtigung, denn sie beugen einer systematischen Selbsttäuschung vor. In der Vergangenheit mögen positive Illusionen und „Wahnsysteme“ [Thomas Metzinger] vielleicht einen Überlebensvorteil geboten haben. Aber für heutige und kommende Zeiten muss das Gebot ein anderes sein: Es gilt, angesichts der menschlichen Sterblichkeit, aufrichtig zu bleiben; es gilt, sich einzugestehen, dass die Vorstellung an ein paradiesisches Jenseits nicht haltbar ist. Glaube kann erst dort beginnen, wo Wissen aufhört; was im Umkehrschluss bedeutet, dass es unmöglich ist, an Dinge zu glauben, von denen man weiß, dass sie nicht sein können.[1]
Es gilt sich schließlich einzugestehen, dass ein legitimer Raum für Glaubensinhalte nur dort sein kann, wo kein Wissen ist. Aber wovon man nichts weiß, kann man nicht sprechen, und wovon man nicht sprechen kann, darüber sollte man bekanntlich schweigen [s. Wittgenstein].
Intellektuell redlich ist daher nur der, der bereit ist, seine Meinung zu revidieren, wenn empirische Befunde dies gebieten, intellektuell redlich ist nur der, der nicht aufhört zu fragen, wo gefragt werden kann, intellektuell redlich ist nur der, der die Grenzen des Denkens mitdenkt und dadurch dem Ausdruck der Gedanken eine Grenze setzt: Der intellektuell Redliche sagt, was er weiß, und schweigt darüber, was er glaubt.
Menschliche Vernunft
Eines der wichtigsten Konzepte für das menschliche Selbstverständnis ist das der Vernunft. Von nahezu allen großen Denkern des Abendlandes wurde die Vernunft als das höchste Gut des Menschen angesehen. Das Vermögen, vernünftig zu handeln, begründet den Unterschied zwischen Mensch und Tier. Wer vernünftig handelt, handelt im Einklang mit der menschlichen Natur. Heute ist es freilich geboten, den althergebrachten Vernunftbegriff einer naturalistischen Revision zu unterwerfen. Denn was meint vernünftig handeln eigentlich? Lässt sich zu diesem geistigen Vermögen eine reale neurophysiologische Basis finden? Existiert so etwas wie Vernunft im selben Sinne wie das Gehirn? Oder muss der Terminus ein philosophisches Abstraktum bleiben?
Blicken wir noch einmal zurück: In der Kritik der reinen Vernunft kommt Kant zu dem Schluss, dass Sätze gebildet werden können, die die Erkenntnis über die Welt erweitern, aber nicht auf Erfahrung basieren.[2] Zu diesen zählte Kant neben philosophischen und mathematischen Sätzen auch die der Physik, da er annahm, Raum, Zeit und Kausalität seien reine Anschauungsformen, die dem menschlichen Erkenntnissubjekt selbst entspringen. Spätestens die Entwicklung nicht-euklidischer Geometrien hat aber gezeigt, dass solche Sätze eine Mär sind. Es ist irrsinnig, von „der“ Mathematik zu sprechen. Vielmehr lassen sich verschiedene Mathematiken entwerfen, je nachdem welches axiomatische System gewählt wird.[3] Solche Systeme können sich in der Praxis unterschiedlich gut bewährt haben, aber tatsächlich enthalten sie kein genuines Wissen über die Beschaffenheit der Welt.[4] Hinzu kommt, dass der absolute Raum- und Zeitbegriff Newtons, auf den Kant zurückgreift, seit der empirischen Bestätigung der Einsteinschen Theorien ausgedient hat. Ähnlich verhält es sich mit dem klassischen Kausalitätsbegriff, dem mit der Planck-Zeit eine unüberwindbare Grenze auferlegt wurde.[5] Zudem kann es auch oberhalb der Planck-Zeit non-deterministisch zugehen [siehe Quantenphysik].
Stellt man nun die von Kant als unbeantwortbar zurückgewiesene Frage, wie die reinen Anschauungsformen entstanden sind, im Lichte heutiger Erkenntnisse ein weiteres Mal, so muss die Antwort lauten: aus der Evolution. Im Laufe des phylogenetischen Anpassungsprozesses an die Form des mesoskopischen Raumes[6] haben sich im menschlichen Gehirn fest verankerte Strukturen herausgebildet, die unsere kognitiven Fähigkeiten und unsere Wahrnehmung der Welt bestimmen.
Aus diesen Gründen dient in der Kognitionspsychologie schon seit geraumer Zeit der empirisch gehaltvollere Begriff der adaptiven Verhaltenskontrolle[7] als Ersatz für den Vernunftbegriff. Verortet ist das Vermögen zur adaptiven Verhaltenskontrolle vornehmlich im präfrontalen Kortex. Dieser Hirnregion verdankt der Mensch die Fähigkeit zu Impuls- und Triebunterdrückung, zu Belohnungs- und Bedürfnisaufschub, zu geplantem Handeln, Extrapolation, Antizipation und reflexivem Denken.[8] Als adaptiv wird dieses Vermögen bezeichnet, weil es die bestmögliche Anpassung des Menschen an seine naturräumliche, kulturelle und soziale Umgebung zum Ziel hat. Die aus diesem Vermögen resultierende besondere Flexibilität des Menschen ist in der Evolutionsgeschichte einzigartig: Kein Lebewesen kann so schnell auf sich verändernde Umweltbedingungen reagieren wie der Mensch.
In der Interaktion zwischen Gehirn und Umwelt findet sich der Ursprung allen gehaltvollen Wissens. Natürlich besitzen auch Tiere, insbesondere Primaten, erfahrungsbasiertes Wissen, das z. B. eingesetzt wird, um die Nahrungssuche zu optimieren. Aber nur beim Menschen kommt es zu einer ganzheitlichen Projektion aller wahrgenommenen Umweltsignale und einer gleichzeitigen Integration von Gedächtnisinhalten, emotionalen Bewertungen und allgemeinem Vorwissen. Zudem fungiert das menschliche Gehirn als „Beziehungsorgan“, das soziale Interaktionen vermittelt und gleichzeitig von diesen geprägt wird.[9] Der menschliche präfrontale Kortex als die Hirnregion, die vorausschauendes Planen und vielschichtige Sozialbeziehungen ermöglicht, stellt sich somit als mächtiges Werkzeug im evolutionären Kampf ums Dasein dar. Zwar hat sich der Mensch durch seine Fähigkeit zu höherer Sprache und abstraktem Denken, das seinen höchsten Ausdruck in den Formalismen der Mathematik findet, in gewisser Weise vom Tierreich entkoppelt, aber selbstverständlich ist der Evolutionsprozess an diesem Punkt nicht stehen geblieben. Er ist durch den Einschub einer weiteren Ebene, nämlich der kulturellen, lediglich komplexer geworden.
Status Quo
Weitsichtiges, planendes Handeln – es macht uns anpassungs- und damit überlebensfähig. Im Umkehrschluss bedeutet es, dass ein Mangel an Vorausschau und Planung den Niedergang ganzer Zivilisationen herbeiführen kann. Wie viele Hochkulturen vor uns sind schon an sich selbst gescheitert? Wir können uns eine Abwertung der Wissenskultur, die über Jahrhunderte gewachsen ist und uns ein komfortables Leben führen lässt, nicht leisten. Gesellschaften in denen eine breite Masse, aber auch viele Entscheidungsträger, das wissenschaftliche Ideal nicht teilen, werden früher oder später in Abhängigkeit derer geraten, die über Wissen verfügen, es pflegen und mehren. Wissen ist Macht. Und die Kluft zwischen Arm und Reich ist nicht zuletzt auf ein Wissens- und Innovationsgefälle zurückzuführen.
Wie steht es heute um unsere, die westliche Kultur? Leben wir noch in einem Zeitalter der Aufklärung oder gerät der Anspruch der Vordenker immer weiter in Verruf und Vergessenheit? Wie viel Unvernunft verträgt eine Gesellschaft?
Leider lassen viele Kulturphänomene und Irrlehren unserer Zeit darauf schließen, dass etwas faul ist in den einstigen Mutterländern der Aufklärung: Statt der modernen Medizin zu vertrauen, lassen sich viele Menschen von esoterischer Pseudowissenschaft verführen. Statt sich aktiv zu bilden, begeben sich viele Bürger lieber in die Obhut ihres Fernsehers. Statt das Wohl des Gemeinwesens im Blick zu haben, schauen Politiker nur zu gerne auf Umfragewerte. Sie agieren nicht weitsichtig, sondern populistisch. Statt sich auf Erfahrungsinhalte zu konzentrieren und diese logisch zu prüfen, entwickeln zahllose Sozialwissenschaftler immer weitere Theorien, die einer empirischen Grundlage entbehren.[10]
Einige Ursachen dieser Phänomene lassen sich leicht benennen: Menschen sind bequem und Nachdenken ist mühsam. Menschen sind oft selbstsüchtig und persönlicher Erfolg wird über Gemeininteressen gestellt. Viele Intellektuelle haben zwar viel gelesen, aber nicht erkannt, dass Wissen nicht allein aus Büchern, sondern vielmehr aus der Synthese von genauer Beobachtung und logischer Strenge zu gewinnen ist. Zudem bedeutet ergebnisoffenes Forschen, dass man sich auch unbequemen Wahrheiten stellen muss. Gerade in der Intelligenzdebatte [nature vs. nurture] stößt man auf sozialwissenschaftlicher Seite immer wieder auf Behauptungen, die mit den Ergebnissen biologischer Forschung nicht übereinstimmen. Man möchte die idealisierten Vorstellungen, die man von der Welt hat, eben nicht aufgeben. Aufklärung kann schmerzhaft sein, aber diesen Schmerz gilt es auszuhalten.
Die größte Herausforderung, der sich die Autoren stellen müssen, liegt in ihrem Anliegen selbst begründet. Denn zahllosen Menschen fehlt der nötige Halt im Leben gerade als Folge der Aufklärung, hat diese ihnen doch die Religion genommen. Viele suchen ihr Heil seither in halbreligiösen Ersatzlehren wie z. B. der Anthroposophie oder der Homöopathie. Verschwörungstheorien haben ebenfalls Hochkonjunktur.[11]
Wie kann Aufklärung also funktionieren, ohne dass gleichzeitig jede Form von Spiritualität illegitim erscheint?
Literatur
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- Braus, Dieter F.: Einblicke ins Gehirn, Stuttgart 2010
- Jungclaussen, Hardwin: Neuronale Vernunft. 2003
- Metzinger, Thomas: Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit, Vortrag auf dem Kongress „Meditation und Wissenschaft“, Berlin 2010
- Trivers, Robert: Deceit and Self-Deception, London 2011
- Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus, Frankfurt am Main 2003
Anmerkungen
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[1] Problematisch ist, dass denen, die wenig wissen, meist auch das nötige Meta-Wissen fehlt.
[2] Kant nennt diese „synthetische Urteile apriori“.
[3] Die englische Sprache wird diesem Sachverhalt gerecht.
[4] Saul Kripke hat zudem gezeigt, dass Apriorität nicht unbedingt Notwendigkeit einschließen muss. Siehe Kripke: Naming and Necessity 1972.
[5] Die Planck-Zeit beschreibt das kleinstmögliche Zeitintervall, für das die bekannten Gesetze der Physik gültig sind.
[6] Der mesoskopische Raum umfasst den mittleren Bereich, der zwischen Mikro- und Makrokosmus liegt.
[7] Im Englischen: adaptive control of behavior.
[8] Die auf assoziativem Denken beruhende Kreativität und das Vermögen zur adaptiven Verhaltenskontrolle sind nicht miteinander korreliert, sie gehen jedoch im Idealfall ein Zusammenspiel ein.
[9] Weiterführend hierzu: „Das Gehirn – Ein Beziehungsorgan“ [ein umfassendes Forschungsprojekt an der Universität Heidelberg].
[10] Die „Gender Studies“ wären hier als erstes zu nennen.
[11] „Chemtrails“ scheinen momentan besonders populär zu sein.
what this is all about
The Orcus of Oblivion
Libertine English / German blog about politics, science and computer stuff by Björn Buxbaum-Conradi aka sempervirentz
about bbc: born 1981 in Kassel, Germany. Studies of humanities in Trier and Frankfurt am Main. Master’s degree with a thesis on Robert Musil. Author of novellas and poems – and lately a novel.
motto: what gleams is born but for the moment’s pages …
about ooo: in the ephemeral world we live in the ecstasizing details are vanishing into oblivion quicker than light. This blog wants to be more than just a collection of snapshots in time, a sublime ambition of course, but at least an ambition. So look forward to coming posts.
favourite movies: imdb.com/list/ls071912659
Quo vadis Europa
Faktoren für innergesellschaftlichen Zusammenhalt in einem globalisierten Deutschland
Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die gesellschaftlichen Zusammenhalt ermöglichen. In einem globalisierten Deutschland müssen allerdings viele dieser Faktoren wegfallen. Die Identifikation über Aussehen, Religion und das, was manche als „Leitkultur“ bezeichnen, hat ausgedient, zumindest wenn man die deutsche Bevölkerung als Ganzes betrachtet.
Welche Möglichkeiten bleiben dann, den verschiedenen Kulturen in unserem Gemeinwesen eine gemeinsame Identität zu verschaffen?
Fangen wir ex negativo an: Wenn man nicht viel unternimmt, bilden sich zwangsläufig Parallelgesellschaften. Gleich und Gleich gesellt sich gern. Das ist nun mal so. Und der Status Quo deutet genau in diese Richtung.
Wenn mehr als nur Nebeinanderherexistieren das Ziel ist, muss die Politik aktiv eingreifen. Der erste und wichtigste Punkt ist sicherlich das Sprechen der deutschen Sprache. Das ist selbstverständlich. Und die Politik ist in diesem Punkt durchaus bemüht. Es muss aber noch mehr getan werden, auch von den Menschen, die in diesem Land leben wollen, selbst. Das betrifft vor allem ältere Personenkreise, die nicht mehr zur Schule gehen können.
Einschub: Das Betreuungsgeld wirkt bezogen auf diese Problematik kontraproduktiv. Wenn Kitas besucht werden, findet eine Vermischung eher statt. Hier kann mehr staatliches Eingreifen also sinnvoll sein.
Als zweiten Punkt möchte ich den gemeinsamen Glauben an eine größere Sache nennen. Jedwedes religiös bestimmtes Ziel scheidet hier aus. Es muss etwas Säkulares sein. Etwas, das für Christen, Muslime und Atheisten gleichermaßen erstrebenswert ist. Die Fußball-WM ist momentan das Beste, was angeboten wird. Der gemeinsame Glaube an einen Wertekanon wäre hingegen das Idealziel. Angesichts des Zustroms aus Ländern, die noch stark archaisch, respektive patriarchalisch geprägt sind, wird das allerdings ein schweres Unterfangen. Dennoch: Bildung muss neben Spracherwerb oberste Priorität haben.
Ein dritter Faktor ist meiner Ansicht nach das gemeinsame Feiern von Festen. Bisher haben wir nur den 3. Oktober. Der wird aber kaum gefeiert. Da könnte man noch was draufsetzen. Vielleicht indem man einen christlichen Feiertag neutralisiert, so dass die Möglichkeit besteht, einen weiteren Nationalfeiertag im Sommer einzurichten.
Auch Stolz kann verbindend wirken, es heißt ja nicht grundlos „Nationalstolz“. Voraussetzung dafür ist, dass man eine Beschäftigung hat und aktiv zum Wohl des Gemeinwesens beitragen kann. Das muss nicht notwendigerweise ein Brotberuf sein. Auch ehrenamtliches Engagement in Vereinen, Parteien oder Wohltätigkeitsorganisationen kann identitätsstiftend sein.
Ein letzter Faktor, der durch die Geschichte hindurch immer wieder für inneren Kit gesorgt hat, ist das Vorhandensein eines gemeinsamen Feindes. Am besten eignet sich natürlich ein Feind, der für alles Schlechte verantwortlich gemacht werden kann. Wenn man sachlich bleiben möchte – und das sollten Staat und Medien idealerweise – ist es aber nicht ohne weiteres möglich, ein derartiges Feindbild zu kreieren und aufrecht zu erhalten. Der IS eignet sich bspw. gut als externes Feindbild, ist aber von Deutschland zu weit weg, als dass sein Vorhandensein uns insgesamt zusammenschweißen könnte. Und auch auf die Ankunft von Aliens sollten wir nicht setzen. Dieser Faktor wird also vermutlich nicht so schnell zum Tragen kommen. Es sei denn Putin annektiert über Nacht die gesamte Ukraine, aber das wird zum Glück nicht passieren.
Fazit: In einem globalisierten Deutschland bleiben nicht viele identitätsstiftende Faktoren. Daher müssen die, die sich noch anbieten, umso intensiver genutzt werden. Sonst werden wir erleben, dass Deutschland ein Land wird, in dem sich die verschiedenen Migrantengruppen und die einheimische Bevölkerung immer stärker voneinander abgrenzen. Dass das früher oder später zu heftigen sozialen Spannungen führen würde, liegt auf der Hand.
Der XX-Faktor beim Schachspiel – oder wider die Gleichmacherei in der Intelligenzdebatte
Ja, eine Partie Turnierschach kann lange dauern, bis zu fünf oder sogar sechs Stunden [je nach Regelung]. Aber erklärt das wirklich, warum Frauen so viel schlechter beim Schach abschneiden?
Klar, es gibt weniger Frauen, die Schach spielen. In Deutschland liegt das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Vereinsspielern bei 16 zu 1. Aber nur eine Frau [Elisabeth Pähtz] ist unter den deutschen Top-100-Spielern vertreten* [auf Platz 71 mit einer Elo-Zahl von 2464]. Setzte man eine gleiche Leistungsverteilung zwischen den Geschlechtern voraus, müssten statistisch gesehen allerdings 6 Frauen unter den besten 100 sein. Ähnlich verhält es sich an der Weltspitze: Supergroßmeister wird ein Spieler, wenn er eine Elo-Zahl größer 2700 hat. Seit Einführung dieses Indexes im Jahr 1970 gab es 94 Spieler, die das geschafft haben. Darunter aber nur eine Frau: Die Ungarin Judit Polgár, die mit einem Höchstwert von 2735 immerhin auf Platz 40 steht. Der aktuelle Weltmeister [Magnus Carlsen] hat allerdings fast 150 Punkte mehr [2882].
Elisabeth Pähtz erklärt das schlechtere Abschneiden von Schachspielerinnen auch mit dem unterschiedlichen Eintrittsalter in die Pubertät. Frauen interessierten sich schon ab zwölf Jahren für Make-up, Kleidung und Jungs, während Männer in dieser entscheidenden Phase noch wie Kinder seien und mehr Zeit hätten sich zu verbessern: „Das ist der Vorteil, den die Jungen haben. Aus ihnen werden oft Männer, die ihr ganzes Leben nur an Schach denken können.“ [ibid.]
Ich halte diese Erklärung für wenig belastbar. Haben vorpubertäre Jungen etwa keine Alltagsprobleme zu bewältigen? Dass auch zerebrale Unterschiede [z.B. Vorteile beim räumlichen Vorstellungsvermögen] dazu beitragen könnten, dass Männer die besseren Schachspieler sind, zieht Pähtz in dem genannten Interview gar nicht erst in Erwägung.
* Da Frauen auch bei den Wettbewerben, an denen Männer teilnehmen, starten dürfen [und dies auch häufig tun] sind die Elo-Werte beider Geschlechter aufeinander abgestimmt.
Ich muss gestehen, dass es mir mit dem, was ich hier vorbringe, nicht um Leistungen beim Schach geht. Was mich stört, ist die zwanghafte Gleichmacherei, wenn es um das Thema Intelligenz geht. Stellt ein Verhaltensforscher biologisch bedingte Kognitionsunterschiede zwischen den Geschlechtern fest, wird er dafür angefeindet, und zwar ohne Rücksicht auf die Validität der Ergebnisse. Diese können ja nur falsch sein. Das noch größere Tabu ist aber die wissenschaftliche Beschäftigung mit Intelligenz in Bezug auf verschiedene Ethnien. Es deutet alles darauf hin, dass es signifikante Unterschiede gibt. Groß angelegte IQ-Tests haben dies immer wieder gezeigt. Doch im politisch korrekten Weltbild darf es diese Abweichungen nicht geben. Intelligenztests sind daher eine teuflische Sache. Und jeder, der die Testergebnisse auch nur teilweise biologisch deutet, macht sich sofort zur Persona non grata. Ein Forscher, der neben kulturellen Gegebenheiten und Umweltbedingungen zusätzlich genetische Faktoren ins Spiel bringt, kann schließlich nur ein Rassist sein.
Sollen potentielle Teilursachen also ausscheiden, nur weil sie auf genetischen Prinzipien beruhen? Wie verhält es sich z.B. mit diesen Punkten?
[1] Kleinvölker, die über lange Zeiträume abgeschottet vom Rest der Welt lebten, waren einem höheren Inzuchtrisiko ausgesetzt [siehe auch genetischer Flaschenhals]. [2] In einigen Kulturen wurde [und wird] die Verwandtenheirat selbst dann praktiziert, wenn es vermeidbar wäre. [3] In Regionen mit schwierigen Umweltbedingungen war Intelligenz vielleicht ein stärkeres Selektionskriterium als in solchen, wo man fürs bloße Überleben nicht ganz so viel Aufwand betreiben musste [bezieht sich insbes. auf Zeiträume noch vor dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht].
Ja, das Thema ist heikel. Und ja, es wurde in der Vergangenheit pervertiert [insbesondere in Deutschland] und es ist daher äußerste Vorsicht geboten. Dennoch: Um restlos verstehen zu können, warum unsere Welt so starke wirtschaftliche Ungleichheiten aufweist, sollte man den Faktor möglicher mentaler Unterschiede nicht von vornherein ausklammern. Die Kluft zwischen Arm und Reich lässt sich nur effektiv bekämpfen, wenn man alle Ursachen kennt.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ein Mensch sollte nie aufgrund eines Gruppendurchschnitts beurteilt werden, sondern immer als Individuum. Ersteres würde in punkto Intelligenz auch gar keinen Sinn machen, denn in jeder ethnischen Großgruppe trifft man die gesamte Spannweite kognitiver Begabung an. Und natürlich müssen alle Menschen die gleichen Grundrechte haben. Diese Rechte erhalten sie ja qua ihres Menschseins, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Intelligenz und welcher Eigenschaft auch immer. Genauso wichtig ist das Ziel, Chancengleichheit herzustellen. Das geht aber leider nur bis zu einem gewissen Grad. Es taugt beispielsweise nicht jedes Kind für einen höheren Schulabschluss wie Abitur oder Matura, selbst bei bester Förderung. Das ist an sich nichts Negatives. Problematisch wird es erst dann, wenn Eigenschaften, die man selbst kaum beeinflussen kann, zum höchsten Gut erklärt werden.
Ich denke, die sogenannte „politische Korrektheit“ beruht auch auf dem Missverständnis, dass Gleichbehandlung per se richtig ist. Es wird vielen nicht gefallen, aber de facto ist es so, dass genetische Unterschiede umso sichtbarer hervortreten, je gleicher Menschen behandelt werden.
Grundsätzlich sollte aus der Tatsache, dass ungleiche Beschaffenheit und Ungleichbehandlung meist Hand in Hand gehen, nicht die naive Vorstellung erwachsen, das Problem sei über eine wie auch immer geartete Negation von ersterem zu lösen. Es ist diese verdrehte Lesart, die dazu führt, dass Unterschiede, wie ich sie oben angeführt habe, umgedeutet oder kaschiert werden. Kombiniert man das noch mit religiösen Heile-Welt-Vorstellungen ist das Zerrbild vollständig.
Was jeden von uns verbindet, ist das Menschsein. Unsere Gleichheit vor dem Gesetz konstituiert sich allein hieraus. Alle Eigenschaften, die darüber hinausgehen, sind für die Festsetzung von Grundrechten irrelevant. Man kann daher guten Gewissens sagen: Wir sind nicht alle gleich, und es ist okay. Die Welt wäre auch verdammt langweilig, wenn es anders wäre.
Literatur
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- Dieter E. Zimmer: Ist Intelligenz erblich? Eine Klarstellung. Reinbek bei Hamburg 2012.
- Auch dieser Essay vom selben Autor lohnt sich für eine weiterführende Lektüre.
The Hitler Easter Coincidence
Hitler’s birthday was on April 20, 1889, one day before Easter Sunday. The first year, where his birthday and the Easter Day were coincidental, was 1919, followed by 1924 and 1930.
In 1939 Hitler’s birthday was declared a national holiday in Nazi Germany. But only for this single year. The reason: Hitler became 50 in 1939. On this occasion the largest military parade in the history of the Third Reich was held in Berlin. Unfortunately [from Hitler’s point of view] the Easter Day was that year on April 9. Presumably he would have been pleased about such a coincidence on his 50th birthday, but he was unlucky: during the whole time he was in power there was no Easter Sunday on April 20.
At Easter 1945 [April 1] Hitler was already trapped in the Führerbunker. He did also celebrate his last birthday there. Ten days later he was dead.
Only in the next century Easter Sunday was again on April 20. In 2003 and yes: this year. Probably it is just irony of history that the most evil person mankind has seen and Jesus Christ share from time to time their feast day, but it leaves a strange gut feeling.
btw: there are two ‚Hitler Easter Days‘ left for this century: 2025 and 2098. The probability for Easter Sunday at April 20 is about 3.4%. The full distribution of Easter dates here.