Akif Pirinçci im Wortlaut

Akif Pirinçcis Tiraden sind indiskutabel. Trotzdem muss man ihn schon richtig zitieren. Sein KZ-Satz bezog sich nicht auf ‪‎Flüchtlinge‬, sondern auf ‎“Asylkritiker“‬, zu denen er ‎Pegida‬ und natürlich sich selbst zählt. Hier daher nochmal das vollständige Zitat: „Offenkundig scheint man bei der Macht, die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm [dem „Asylkritiker“] schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann, wenn er gefälligst nicht pariert. Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ Hintergrund für diesen Satz war ein Bürgerforum in Kassel-Lohfelden, bei dem Dr. Walter Lübcke, Regierungspräsident des Regierungsbezirks Kassel, Zwischenrufer, die ihren Unmut gegen die Einrichtung eines Flüchtlingslagers zum Ausdruck brachten, u.a. mit den Worten abkanzelte: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen“. Mehr dazu hier.
Es ist also eindeutig erkennbar, dass Pirinçci den KZ-Satz nicht auf Flüchtlinge bezogen artikulierte. Trotzdem wurde in nahezu allen wichtigen Medien die umgekehrte Deutung des Satzes vermittelt. Diese unangemesse Berichterstattung ist nur Wasser auf die Mühlen von Pegida und Hetzern wie ‪‎Pirinçci‬, denn letztendlich fundamentiert es deren Bild von der sogenannten System- und Lügenpresse. Pirinçci hat nun gegen zahlreiche Medienhäuser Klage eingereicht. Er wird Recht bekommen und am Ende müssen diese Unterlassungserklärungen und Widerrufe abgeben. Teilweise ist dies schon geschehen. Ich appelliere daher an alle seriösen Medienleute, recherchiert anständig, zitiert korrekt und lasst euch nicht von einzelnen Wörten verführen. Ja, er hat das böse KZ-Wort gesagt, aber eben nicht in dem Sinn, wie anschließend drüber berichtet wurde.
Einen ausführlichen Artikel von Stefan Niggemeier zu diesem Thema finden Sie auf FAZ.net.

The documentary „Swastika“ [1974] by Philippe Mora / die Dokumentation „Swastika“

Article in English [in deutsch siehe unten]
 
That’s the starkest documentary about the Third Reich, I have seen so far. At the age of 19 Franco-Australian film student Philippe Mora made the archive discovery of his life. With the help of a historian he found the Obersalzberg film roles that Eva Braun once stored in her bedroom at the Berghof and that were later seized by US military personnel.
Mora mixed these private recordings with Nazi propaganda material and created a documentary. Only in the second part of the movie he used footage from „the other side“. The movie misses any comment. Mora let the pictures speak for themselves. The documentary caused a scandal back then and was first shown in German cinemas 37 years later. The contrast between cosy mountain idyll, martial parades and evil propaganda is hard to overcome. The film conveys a sense of how powerful and thrilling the atmosphere was at that time. The Overture to Wagner’s Tannhäuser combined with pictures of a country on the move, politics as religion, the Olympic Games, the eerily beautiful Riefenstahl scenes, Adolf and Eva at the Berghof playing cheerfully with  dogs, next to hate speech, first acts of violence against Jews and military armament. We all know what came and had to come. The German population did not know every detail, or did not want to know. Repression as a survival strategy. „Better go with the flow“ was the motto. Go with a movement unseen in history. Even in the faraway US there were tens of thousands who got infected by the Hitler mania. [This is also shown in the documentary.]
And then the second part of the movie. The great destruction. A crescendo of violence. Bombs, flashes of light, dead bodies, total war; sicker and more intense as any Hollywood production can ever be. Then camera flights over a completely devastated country, images from the concentration camps. So terrible that you don’t want to look at them.
Time for the end credits? No. The movie ends with a scene at the Berghof in which Hitler is hosting a few guests. Coffee and cake is served. I repeat. Coffee and cake. I can hardly imagine a more bitter contrast.
I recommend this movie to anyone who is not only interested in theories about mass psychology and the phenomenon of „ideology as a substitute for religion“, but who wants to sense an undertone, a mood, an inkling of ​​what was going on back then. Yes, the first part of the film is dangerous. It depicts Hitler as a human being and shows a country that is completely inebriated. But if one really wants to understand the events of that time, one has to expose itself to this.
 
Der Artikel in deutsch

Das ist der krasseste Dokumentarfilm über das Dritte Reich, den ich bisher gesehen habe. Als 19-jähriger Filmstudent machte der Franco-Australier Philippe Mora die Archiventdeckung seines Lebens. Mit Hilfe eines Historikers spürte er die von amerikanischen Armeeangehörigen auf dem Obersalzberg beschlagnahmten Filmrollen auf, die Eva Braun in ihrem Schlafzimmer auf dem Berghof gelagert hatte. Diese privaten Aufnahmen kompilierte er zusammen mit Propaganda-Material der Nazis zu einem Dokumentarfilm. Erst im zweiten Teil wird auch filmisches Material „der anderen Seite“ verwendet. Der komplette Film kommt ohne jeglichen Kommentar aus. Die Bilder sprechen für sich. Der Film löste damals einen Skandal aus und wurde in Deutschland erst 37 Jahre nach Entstehung im Kino gezeigt. Die Kontraste zwischen heimeliger Bergidylle, martialischen Paraden und bitterböser Propaganda könnten größer nicht sein. Der Film vermittelt ein Gefühl davon, wie mitreißend die Stimmung damals war. Die Ouvertüre zum Tannhäuser, dazu ein Land im Aufbruch, Politik als Religion, die olympischen Spiele, die schaurig-schönen Riefenstahl-Bilder, Adolf und Eva auf dem Berghof, mit Hunden spielend, fröhlich und ausgelassen, daneben Hassparolen, erste Gewalttaten gegen Juden, militärische Aufrüstung. Wir alle wissen, was kam, ja kommen musste. Die Bevölkerung wusste damals vieles nicht, oder wollte es nicht wissen. Verdrängung als Überlebensstrategie. Lieber mitschwimmen im großen Strom einer Bewegung, wie sie die Welt bis dahin noch nicht gesehen hatte. Selbst im fernen Amerika gab es zehntausende, die sich von der Hitlermanie anstecken ließen. Auch davon werden Bilder gezeigt.
Und dann der zweite Teil des Films. Die große Zerstörung. Ein Crescendo der Gewalt. Bomben, Lichtblitze, Tote, der totale Krieg; krasser als es jeder Hollywoodfilm nachstellen kann. Dann Kameraflüge über ein komplett zerstörtes Land, Bilder aus den Konzentrationslagern. So schrecklich, dass man nicht hinschauen will. Kommt nun endlich der Abspann? Nein. Der Film endet mit einer Berghof-Szene, in der Hitler ein paar Gäste bei sich bewirtet. Es gibt Kaffee und Kuchen. Ich wiederhole. Kaffee und Kuchen. Bitterer kann kein Kontrast sein.
Ich empfehle diesen Film jedem, der sich nicht nur theoretisch mit Massenpsychologie und dem Phänomen „Ideologie als Religionsersatz“ befassen will, sondern der darüber hinaus ein Gefühl, ein Stimmungsbild, eine Ahnung von dem, was damals abging, einfangen möchte. Ja, der erste Teil des Films ist gefährlich. Er zeigt Hitler als Menschen und ein vollkommen berauschtes Land. Doch wer das Geschehene wirklich begreifen will, muss sich dem Teil schon aussetzen.
Zur weiterführenden Lektüre hier eine Filmkritik von Sonja M. Schultz.

Wer denken kann, der denke

Fragment eines Manifests
von Björn Buxbaum-Conradi und Fabian Butzbach
Frankfurt am Main – Januar 2011
[Download des Textes als PDF hier]

Die aufgeklärte westliche Wissenskultur ist ein hohes Gut. Insgesamt profitieren wir von den Erkenntnissen, die sie hervorgebracht hat, auch wenn stets eine missbräuchliche Nutzung von Wissen möglich ist. Das wissenschaftliche Ideal unter Schutz zu stellen, gehört zum Selbstverständnis unserer Zivilisation. Und doch deuten viele Phänomene unserer Zeit darauf hin, dass unsere Wissenskultur sukzessive unterwandert wird und einer Wiederbelebung bedarf. Wie könnte eine solche Wiedergeburt aussehen? Die Verfasser Björn Buxbaum-Conradi und Fabian Butzbach werden dieser Frage hier nachgehen. Um klar zu sehen, wird eine Bestandsaufnahme ohne Beschönigung notwendig sein. In gemeinsamer Anstrengung soll schließlich ein Gegengewicht geschaffen werden zu Pseudowissenschaft, Esoterik, Populismus, Verschwörungstheorien, religiöser Engstirnigkeit sowie all jenen, die direkt oder indirekt, absichtlich oder aus Nachlässigkeit, wissend oder unwissend, ein Gefüge der Unvernunft mit aufbauen oder nichts dagegen unternehmen.

Einleitung
Denker aller Zeitalter liebten große Worte. Getrieben von der Vorstellung, dass der Mensch ein Vernunftwesen sei, frei in seinem Handeln und ausgestattet mit einer unsterblichen Seele, wurde er zur Krone der Schöpfung, ja zum höchsten Wesen überhaupt erklärt. Nur Gott als Weltenschaffer und oberster Richter war dem Menschengeschlecht übergeordnet.
In einem Jahrtausende währenden Prozess entfachte der menschliche Geist ein Licht, das die Beschaffenheit der eigenen Art bis zur feinsten Zellstruktur durchleuchten sollte: An die Stelle menschlicher Überhöhung trat im Zuge der Entzauberung der Welt durch die exakten Wissenschaften eine für das menschliche Selbstverständnis nur schwer hinnehmbare Erniedrigung. Der Mensch stammte seither nicht von Gott, sondern vom Affen ab; der Geist führte kein immaterielles Eigenleben mehr, sondern stand und fiel mit der Intaktheit des Gehirns. Und von der Liebe zwischen den Geschlechtern blieb nur ein arterhaltender, durch Neurotransmitter generierter Rauschzustand.
Zentrale Begriffe der Philosophie fielen wie Steine zu Boden: Wahrheit ist formal nicht mehr als der Wert einer propositionalen Funktion; Schönheit degradierte zum subjektivistischen Füllwort ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit; Chancengleichheit als Bedingung für Gerechtigkeit wurde in einer Welt, in der die Macht der Gene herrscht, zu einem unmöglichen Versprechen; der Glaubean einen allmächtigen und gleichzeitig gütigen Gott ist nicht erst seit den Gewaltexzessen zweier Weltkriege und dem Holocaust ein Unding, und die seit Urzeiten gepriesene menschliche Freiheit entpuppte sich im Lichte der Neurobiologie als Illusion – oder aber als Fluch, wenn sie doch existieren sollte, denn wer frei ist, ist verantwortlich für sein Tun. Aber – und das ist das Gute daran: All diese Verwerfungen althergebrachter Vorstellungen haben ihre Berechtigung, denn sie beugen einer systematischen Selbsttäuschung vor. In der Vergangenheit mögen positive Illusionen und „Wahnsysteme“ [Thomas Metzinger] vielleicht einen Überlebensvorteil geboten haben. Aber für heutige und kommende Zeiten muss das Gebot ein anderes sein: Es gilt, angesichts der menschlichen Sterblichkeit, aufrichtig zu bleiben; es gilt, sich einzugestehen, dass die Vorstellung an ein paradiesisches Jenseits nicht haltbar ist. Glaube kann erst dort beginnen, wo Wissen aufhört; was im Umkehrschluss bedeutet, dass es unmöglich ist, an Dinge zu glauben, von denen man weiß, dass sie nicht sein können.[1]
Es gilt sich schließlich einzugestehen, dass ein legitimer Raum für Glaubensinhalte nur dort sein kann, wo kein Wissen ist. Aber wovon man nichts weiß, kann man nicht sprechen, und wovon man nicht sprechen kann, darüber sollte man bekanntlich schweigen [s. Wittgenstein].
Intellektuell redlich ist daher nur der, der bereit ist, seine Meinung zu revidieren, wenn empirische Befunde dies gebieten, intellektuell redlich ist nur der, der nicht aufhört zu fragen, wo gefragt werden kann, intellektuell redlich ist nur der, der die Grenzen des Denkens mitdenkt und dadurch dem Ausdruck der Gedanken eine Grenze setzt: Der intellektuell Redliche sagt, was er weiß, und schweigt darüber, was er glaubt.

Menschliche Vernunft
Eines der wichtigsten Konzepte für das menschliche Selbstverständnis ist das der Vernunft. Von nahezu allen großen Denkern des Abendlandes wurde die Vernunft als das höchste Gut des Menschen angesehen. Das Vermögen, vernünftig zu handeln, begründet den Unterschied zwischen Mensch und Tier. Wer vernünftig handelt, handelt im Einklang mit der menschlichen Natur. Heute ist es freilich geboten, den althergebrachten Vernunftbegriff einer naturalistischen Revision zu unterwerfen. Denn was meint vernünftig handeln eigentlich? Lässt sich zu diesem geistigen Vermögen eine reale neurophysiologische Basis finden? Existiert so etwas wie Vernunft im selben Sinne wie das Gehirn? Oder muss der Terminus ein philosophisches Abstraktum bleiben?
Blicken wir noch einmal zurück: In der Kritik der reinen Vernunft kommt Kant zu dem Schluss, dass Sätze gebildet werden können, die die Erkenntnis über die Welt erweitern, aber nicht auf Erfahrung basieren.[2] Zu diesen zählte Kant neben philosophischen und mathematischen Sätzen auch die der Physik, da er annahm, Raum, Zeit und Kausalität seien reine Anschauungsformen, die dem menschlichen Erkenntnissubjekt selbst entspringen. Spätestens die Entwicklung nicht-euklidischer Geometrien hat aber gezeigt, dass solche Sätze eine Mär sind. Es ist irrsinnig, von „der“ Mathematik zu sprechen. Vielmehr lassen sich verschiedene Mathematiken entwerfen, je nachdem welches axiomatische System gewählt wird.[3] Solche Systeme können sich in der Praxis unterschiedlich gut bewährt haben, aber tatsächlich enthalten sie kein genuines Wissen über die Beschaffenheit der Welt.[4] Hinzu kommt, dass der absolute Raum- und Zeitbegriff Newtons, auf den Kant zurückgreift, seit der empirischen Bestätigung der Einsteinschen Theorien ausgedient hat. Ähnlich verhält es sich mit dem klassischen Kausalitätsbegriff, dem mit der Planck-Zeit eine unüberwindbare Grenze auferlegt wurde.[5] Zudem kann es auch oberhalb der Planck-Zeit non-deterministisch zugehen [siehe Quantenphysik].
Stellt man nun die von Kant als unbeantwortbar zurückgewiesene Frage, wie die reinen Anschauungsformen entstanden sind, im Lichte heutiger Erkenntnisse ein weiteres Mal, so muss die Antwort lauten: aus der Evolution. Im Laufe des phylogenetischen Anpassungsprozesses an die Form des mesoskopischen Raumes[6] haben sich im menschlichen Gehirn fest verankerte Strukturen herausgebildet, die unsere kognitiven Fähigkeiten und unsere Wahrnehmung der Welt bestimmen.
Aus diesen Gründen dient in der Kognitionspsychologie schon seit geraumer Zeit der empirisch gehaltvollere Begriff der adaptiven Verhaltenskontrolle[7] als Ersatz für den Vernunftbegriff. Verortet ist das Vermögen zur adaptiven Verhaltenskontrolle vornehmlich im präfrontalen Kortex. Dieser Hirnregion verdankt der Mensch die Fähigkeit zu Impuls- und Triebunterdrückung, zu Belohnungs- und Bedürfnisaufschub, zu geplantem Handeln, Extrapolation, Antizipation und reflexivem Denken.[8] Als adaptiv wird dieses Vermögen bezeichnet, weil es die bestmögliche Anpassung des Menschen an seine naturräumliche, kulturelle und soziale Umgebung zum Ziel hat. Die aus diesem Vermögen resultierende besondere Flexibilität des Menschen ist in der Evolutionsgeschichte einzigartig: Kein Lebewesen kann so schnell auf sich verändernde Umweltbedingungen reagieren wie der Mensch.
In der Interaktion zwischen Gehirn und Umwelt findet sich der Ursprung allen gehaltvollen Wissens. Natürlich besitzen auch Tiere, insbesondere Primaten, erfahrungsbasiertes Wissen, das z. B. eingesetzt wird, um die Nahrungssuche zu optimieren. Aber nur beim Menschen kommt es zu einer ganzheitlichen Projektion aller wahrgenommenen Umweltsignale und einer gleichzeitigen Integration von Gedächtnisinhalten, emotionalen Bewertungen und allgemeinem Vorwissen. Zudem fungiert das menschliche Gehirn als „Beziehungsorgan“, das soziale Interaktionen vermittelt und gleichzeitig von diesen geprägt wird.[9] Der menschliche präfrontale Kortex als die Hirnregion, die vorausschauendes Planen und vielschichtige Sozialbeziehungen ermöglicht, stellt sich somit als mächtiges Werkzeug im evolutionären Kampf ums Dasein dar. Zwar hat sich der Mensch durch seine Fähigkeit zu höherer Sprache und abstraktem Denken, das seinen höchsten Ausdruck in den Formalismen der Mathematik findet, in gewisser Weise vom Tierreich entkoppelt, aber selbstverständlich ist der Evolutionsprozess an diesem Punkt nicht stehen geblieben. Er ist durch den Einschub einer weiteren Ebene, nämlich der kulturellen, lediglich komplexer geworden.

Status Quo
Weitsichtiges, planendes Handeln – es macht uns anpassungs- und damit überlebensfähig. Im Umkehrschluss bedeutet es, dass ein Mangel an Vorausschau und Planung den Niedergang ganzer Zivilisationen herbeiführen kann. Wie viele Hochkulturen vor uns sind schon an sich selbst gescheitert? Wir können uns eine Abwertung der Wissenskultur, die über Jahrhunderte gewachsen ist und uns ein komfortables Leben führen lässt, nicht leisten. Gesellschaften in denen eine breite Masse, aber auch viele Entscheidungsträger, das wissenschaftliche Ideal nicht teilen, werden früher oder später in Abhängigkeit derer geraten, die über Wissen verfügen, es pflegen und mehren. Wissen ist Macht. Und die Kluft zwischen Arm und Reich ist nicht zuletzt auf ein Wissens- und Innovationsgefälle zurückzuführen.

Wie steht es heute um unsere, die westliche Kultur? Leben wir noch in einem Zeitalter der Aufklärung oder gerät der Anspruch der Vordenker immer weiter in Verruf und Vergessenheit? Wie viel Unvernunft verträgt eine Gesellschaft?
Leider lassen viele Kulturphänomene und Irrlehren unserer Zeit darauf schließen, dass etwas faul ist in den einstigen Mutterländern der Aufklärung: Statt der modernen Medizin zu vertrauen, lassen sich viele Menschen von esoterischer Pseudowissenschaft verführen. Statt sich aktiv zu bilden, begeben sich viele Bürger lieber in die Obhut ihres Fernsehers. Statt das Wohl des Gemeinwesens im Blick zu haben, schauen Politiker nur zu gerne auf Umfragewerte. Sie agieren nicht weitsichtig, sondern populistisch. Statt sich auf Erfahrungsinhalte zu konzentrieren und diese logisch zu prüfen, entwickeln zahllose Sozialwissenschaftler immer weitere Theorien, die einer empirischen Grundlage entbehren.[10]
Einige Ursachen dieser Phänomene lassen sich leicht benennen: Menschen sind bequem und Nachdenken ist mühsam. Menschen sind oft selbstsüchtig und persönlicher Erfolg wird über Gemeininteressen gestellt. Viele Intellektuelle haben zwar viel gelesen, aber nicht erkannt, dass Wissen nicht allein aus Büchern, sondern vielmehr aus der Synthese von genauer Beobachtung und logischer Strenge zu gewinnen ist. Zudem bedeutet ergebnisoffenes Forschen, dass man sich auch unbequemen Wahrheiten stellen muss. Gerade in der Intelligenzdebatte [nature vs. nurture] stößt man auf sozialwissenschaftlicher Seite immer wieder auf Behauptungen, die mit den Ergebnissen biologischer Forschung nicht übereinstimmen. Man möchte die idealisierten Vorstellungen, die man von der Welt hat, eben nicht aufgeben. Aufklärung kann schmerzhaft sein, aber diesen Schmerz gilt es auszuhalten.
Die größte Herausforderung, der sich die Autoren stellen müssen, liegt in ihrem Anliegen selbst begründet. Denn zahllosen Menschen fehlt der nötige Halt im Leben gerade als Folge der Aufklärung, hat diese ihnen doch die Religion genommen. Viele suchen ihr Heil seither in halbreligiösen Ersatzlehren wie z. B. der Anthroposophie oder der Homöopathie. Verschwörungstheorien haben ebenfalls Hochkonjunktur.[11]
Wie kann Aufklärung also funktionieren, ohne dass gleichzeitig jede Form von Spiritualität illegitim erscheint?

Literatur

    • Braus, Dieter F.: Einblicke ins Gehirn, Stuttgart 2010
    • Jungclaussen, Hardwin: Neuronale Vernunft. 2003
    • Metzinger, Thomas: Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit, Vortrag auf dem Kongress „Meditation und Wissenschaft“, Berlin 2010
    • Trivers, Robert: Deceit and Self-Deception, London 2011
    • Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus, Frankfurt am Main 2003

Anmerkungen
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[1] Problematisch ist, dass denen, die wenig wissen, meist auch das nötige Meta-Wissen fehlt.
[2] Kant nennt diese „synthetische Urteile apriori“.
[3] Die englische Sprache wird diesem Sachverhalt gerecht.
[4] Saul Kripke hat zudem gezeigt, dass Apriorität nicht unbedingt Notwendigkeit einschließen muss. Siehe Kripke: Naming and Necessity 1972.
[5] Die Planck-Zeit beschreibt das kleinstmögliche Zeitintervall, für das die bekannten Gesetze der Physik gültig sind.
[6] Der mesoskopische Raum umfasst den mittleren Bereich, der zwischen Mikro- und Makrokosmus liegt.
[7] Im Englischen: adaptive control of behavior.
[8] Die auf assoziativem Denken beruhende Kreativität und das Vermögen zur adaptiven Verhaltenskontrolle sind nicht miteinander korreliert, sie gehen jedoch im Idealfall ein Zusammenspiel ein.
[9] Weiterführend hierzu: „Das Gehirn – Ein Beziehungsorgan“ [ein umfassendes Forschungsprojekt an der Universität Heidelberg].
[10] Die „Gender Studies“ wären hier als erstes zu nennen.
[11] „Chemtrails“ scheinen momentan besonders populär zu sein.

what this is all about

The Orcus of Oblivion


Libertine English / German blog about politics, science and computer stuff by Björn Buxbaum-Conradi aka sempervirentz

about bbc: born 1981 in Kassel, Germany. Studies of humanities in Trier and Frankfurt am Main. Master’s degree with a thesis on Robert Musil. Author of novellas and poems – and lately a novel.

motto: what gleams is born but for the moment’s pages …

about ooo: in the ephemeral world we live in the ecstasizing details are vanishing into oblivion quicker than light. This blog wants to be more than just a collection of snapshots in time, a sublime ambition of course, but at least an ambition. So look forward to coming posts.

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Quo vadis Europa

Unser Sozialstaat, unsere Demokratie und unsere Wirtschaft sind große Errungenschaften. Menschen in aller Welt würden auch gern von diesen profitieren. In ihren Ländern herrschen Krieg, Armut, Unterdrückung oder einfach nur Armut. Und so lassen sie ihre Heimat hinter sich, um ins gelobte Land zu ziehen; viele in dem naiven Glauben, dass sich dort alles schnell zum Guten wendet. Dieser Glaube in Verbindung mit der erfahrenen Not führt dann dazu, dass man sich auch in die Hände der gierigsten Abzocker begibt. „Nur dieses eine Mal, dann hat man es ja geschafft.“ Doch wenn man dann tatsächlich bis nach Westeuropa gekommen ist, findet man sich zunächst in einer Turnhalle wieder oder in einem Zelt oder in einem alten Baumarkt. Nach einigen Wochen beginnen die Mühlen der Bürokratie zu mahlen. Jeder wird von sich natürlich behaupten, rechtmäßig Asyl zu beantragen. Im Laufe dieses Vorgangs werden bereits viele Träume zerstört, denn es dürfen nach Recht und Gesetz nur die bleiben, die wirklich vertrieben wurden. Heimatvertriebene eben.
Nun ist es so, dass in Deutschland schon 81 Millionen Menschen leben, viele davon waren selber Flüchtlinge. Sie haben schon festgestellt, dass auch dieses Land kein Schlaraffenland ist. Denn an gut bezahlte Jobs kommt man nur mit hinreichenden Sprachkenntnissen und einer Ausbildung.
Leider bringen viele der erwachsenen Flüchtlinge, von denen der größte Teil junge Männer sind,  keine solide Ausbildung mit, zumindest keine nach unseren Standards. Und neben der Sprachbarriere gibt es noch weltanschauliche Hindernisse, die man nicht einfach ausblenden kann. In Ländern, in denen keine Trennung von Staat und Religion existiert, bekommt man eben einen anderes Weltbild vermittelt als in der säkularisierten Hemisphäre des Westens [die in bestimmten Bereichen natürlich auch verkommen ist]. Kurzum: Man ist erstmal fremd und gehört zu denen, die sich emporkämpfen müssen, wenn mehr als Hartz IV und Kindergeld das Ziel ist. [Und natürlich können auch illegale Einkommensquellen verführerisch sein.]

Dass es Einheimische gibt, die den Strom der Flüchtlinge mit Argwohn betrachten, ja zum Teil auch mit Hass reagieren, ist kein deutsches Phänomen, sondern eines das überall auf der Welt existiert. Xenophobie wird vermutlich erst dann vollständig ausgemerzt sein, wenn sich ein Zustand äußerster Homogenität gebildet hat. Ob ein solcher aber jemals erreicht werden kann, ist sehr fraglich. Denn in den meisten Fällen streben Migranten keine Assimilation an. Im Gegenteil. Man sucht die Nähe zu Menschen aus der Heimat, zu Menschen, die dieselbe Sprache sprechen und denselben Glauben haben, zu Menschen mit gleicher Kultur und oft auch ähnlichem Aussehen. Viele Einheimische tun das natürlich auch. Und man kann ihnen zumindest dafür keinen Vorwurf machen, denn dieses Verhalten ist zutiefst menschlich. Für den Zusammenhalt einer Gesellschaft trägt es allerdings nicht bei. [Über die Faktoren für innergesellschaftlichen Zusammenhalt hatte ich unlängst geschrieben.] Und so steht zu befürchten, dass sich in zukünftigen Dekaden Parallelgesellschaften stärker ausbilden werden, als es uns lieb sein kann. Die wichtigsten Mittel, um das zu verhindern, sind Sprache und Bildung. Sie sind Voraussetzung, um in dieser Gesellschaft erfolgreich zu sein. Natürlich ist nicht jeder fürs Abitur oder die Hochschule geeignet. Ja, es wird immer Menschen geben, die einfach gestrickt sind. Und die einheimische Bevölkerung ist davon natürlich nicht ausgenommen. Gleichwohl muss es unser Bildungssystem schaffen, auch die Einfältigsten davon zu überzeugen, dass Gewalt und Hass keine Mittel sind, um eine Gesellschaft voranzutreiben.

Der Begriff „Willkommenskultur“ ist momentan sehr präsent. Als Prozess des Aufeinanderzugehens verstanden, um Vorurteile abzubauen und erste Barrieren zu überwinden, ist dieses Konzept sicherlich hilfreich. Es darf aber nicht so weit gehen, dass Flüchtlinge per se zu besseren Menschen erklärt werden. Unter denen, die hierher kommen, sind natürlich auch Betrüger, Fanatiker und Männer, die ihre Ehefrauen prügeln. Das ganze menschliche Spektrum eben. Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer beschreibt das Idealisierungsphänomen hier ausführlicher: http://bit.ly/1UqbKoS

Wir müssen bei der Bewertung der Lage sachlich bleiben und mit Augenmaß vorgehen. Weder Stereotypisierungen noch Idealisierungen bringen einen beim Brückenbauen weiter. Das bedeutet auch, dass Probleme offen angesprochen werden dürfen, ohne dass man gleich als rechts dasteht. Es gibt in einigen Herkunftsländern nun mal Bräuche und Vorstellungen, die sich mit unserem Wertekanon nicht vertragen: Vollverschleierung, Zwangsehen, Feindseligkeiten gegenüber Homosexuellen und Juden etc. 

Auf Dauer verträgt Deutschland natürlich keine 800.000 Flüchtlinge pro Jahr. Das ist selbst den Grünen klar. Und die Bundesregierung ist ja auch dabei, einige Maßnahmen auf den Weg zu bringen: einen Verteilungsschlüssel, der alle EU-Staaten gleichermaßen belastet, eine gemeinsame Liste von „sicheren“ Herkunftsländern und hartes Vorgehen gegen Schleuser. Das sind allerdings alles Maßnahmen, die sich mit Symptomen befassen. Um die Ursachen zu bekämpfen, muss die EU noch mehr Entwicklungshilfe* in den Herkunftsländern selbst leisten. [*verstanden als Hilfe zur Selbsthilfe] Denn reißt der Flüchtlingsstrom auch in den kommenden Dekaden nicht ab, werden immer mehr Staaten dem Beispiel Ungarns folgen und Zäune errichten. Da brauchen wir uns nichts vormachen.
Momentan steht Deutschland wirtschaftlich gut da, unsere Aufnahmekapazitäten sind bei weitem nicht erschöpft. Aber endlich sind sie trotzdem. Und es ist nur offensichtlich, dass sich jeder Sozialstaat nur so lange offene Grenzen leisten kann, bis eine ‚maximale Sättigung‘ erreicht ist. Wird diese überschritten, erhöht sich der Druck auf die Sozialsysteme so stark, dass nicht mehr jeder Bürger abgesichert werden kann. Politische Spannungen und Gewalt von Radikalen und Fanatikern wären an der Tagesordnung. In einem solchen Zustand stünde unser Land nicht mehr so hoch im Kurs bei Flüchtlingen. Ein negatives Equilibrium wäre eingetreten.
Dürfen nachkommende Generationen trotzdem auf ein positives Gleichgewicht hoffen? Angesichts einer rapide wachsenden Weltbevölkerung, schwindenden Ressourcen und einer gigantischen Ungleichverteilung stehen die Chancen wohl gering. Dennoch sollten wir nicht resignieren. Wenn wir nichts tun, haben wir schon verloren.

Faktoren für innergesellschaftlichen Zusammenhalt in einem globalisierten Deutschland

Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die gesellschaftlichen Zusammenhalt ermöglichen. In einem globalisierten Deutschland müssen allerdings viele dieser Faktoren wegfallen. Die Identifikation über Aussehen, Religion und das, was manche als „Leitkultur“ bezeichnen, hat ausgedient, zumindest wenn man die deutsche Bevölkerung als Ganzes betrachtet.
Welche Möglichkeiten bleiben dann, den verschiedenen Kulturen in unserem Gemeinwesen eine gemeinsame Identität zu verschaffen?
Fangen wir ex negativo an: Wenn man nicht viel unternimmt, bilden sich zwangsläufig Parallelgesellschaften. Gleich und Gleich gesellt sich gern. Das ist nun mal so. Und der Status Quo deutet genau in diese Richtung.
Wenn mehr als nur Nebeinanderherexistieren das Ziel ist, muss die Politik aktiv eingreifen. Der erste und wichtigste Punkt ist sicherlich das Sprechen der deutschen Sprache. Das ist selbstverständlich. Und die Politik ist in diesem Punkt durchaus bemüht. Es muss aber noch mehr getan werden, auch von den Menschen, die in diesem Land leben wollen, selbst. Das betrifft vor allem ältere Personenkreise, die nicht mehr zur Schule gehen können.
Einschub: Das Betreuungsgeld wirkt bezogen auf diese Problematik kontraproduktiv. Wenn Kitas besucht werden, findet eine Vermischung eher statt. Hier kann mehr staatliches Eingreifen also sinnvoll sein.
Als zweiten Punkt möchte ich den gemeinsamen Glauben an eine größere Sache nennen. Jedwedes religiös bestimmtes Ziel scheidet hier aus. Es muss etwas Säkulares sein. Etwas, das für Christen, Muslime und Atheisten gleichermaßen erstrebenswert ist. Die Fußball-WM ist momentan das Beste, was angeboten wird. Der gemeinsame Glaube an einen Wertekanon wäre hingegen das Idealziel. Angesichts des Zustroms aus Ländern, die noch stark archaisch, respektive patriarchalisch geprägt sind, wird das allerdings ein schweres Unterfangen. Dennoch: Bildung muss neben Spracherwerb oberste Priorität haben.
Ein dritter Faktor ist meiner Ansicht nach das gemeinsame Feiern von Festen. Bisher haben wir nur den 3. Oktober. Der wird aber kaum gefeiert. Da könnte man noch was draufsetzen. Vielleicht indem man einen christlichen Feiertag neutralisiert, so dass die Möglichkeit besteht, einen weiteren Nationalfeiertag im Sommer einzurichten.
Auch Stolz kann verbindend wirken, es heißt ja nicht grundlos „Nationalstolz“. Voraussetzung dafür ist, dass man eine Beschäftigung hat und aktiv zum Wohl des Gemeinwesens beitragen kann. Das muss nicht notwendigerweise ein Brotberuf sein. Auch ehrenamtliches Engagement in Vereinen, Parteien oder Wohltätigkeitsorganisationen kann identitätsstiftend sein.
Ein letzter Faktor, der durch die Geschichte hindurch immer wieder für inneren Kit gesorgt hat, ist das Vorhandensein eines gemeinsamen Feindes. Am besten eignet sich natürlich ein Feind, der für alles Schlechte verantwortlich gemacht werden kann. Wenn man sachlich bleiben möchte – und das sollten Staat und Medien idealerweise – ist es aber nicht ohne weiteres möglich, ein derartiges Feindbild zu kreieren und aufrecht zu erhalten. Der IS eignet sich bspw. gut als externes Feindbild, ist aber von Deutschland zu weit weg, als dass sein Vorhandensein uns insgesamt zusammenschweißen könnte. Und auch auf die Ankunft von Aliens sollten wir nicht setzen. Dieser Faktor wird also vermutlich nicht so schnell zum Tragen kommen. Es sei denn Putin annektiert über Nacht die gesamte Ukraine, aber das wird zum Glück nicht passieren.
Fazit: In einem globalisierten Deutschland bleiben nicht viele identitätsstiftende Faktoren. Daher müssen die, die sich noch anbieten, umso intensiver genutzt werden. Sonst werden wir erleben, dass Deutschland ein Land wird, in dem sich die verschiedenen Migrantengruppen und die einheimische Bevölkerung immer stärker voneinander abgrenzen. Dass das früher oder später zu heftigen sozialen Spannungen führen würde, liegt auf der Hand.

Der XX-Faktor beim Schachspiel – oder wider die Gleichmacherei in der Intelligenzdebatte

Warum wird beim Leistungsschach eigentlich eine Geschlechtertrennung vorgenommen? Körperliche Unterschiede spielen doch beim Schach nun wirklich keine Rolle, sollte man meinen.
„Nein“, sagt Elisabeth Pähtz, Deutschlands beste Schachspielerin: „Viel hängt auch mit dem Körperbau zusammen. Männer haben mehr Energiereserven, mehr Sitzfleisch.“ [Interview hier.]

Ja, eine Partie Turnierschach kann lange dauern, bis zu fünf oder sogar sechs Stunden [je nach Regelung]. Aber erklärt das wirklich, warum Frauen so viel schlechter beim Schach abschneiden?
Klar, es gibt weniger Frauen, die Schach spielen. In Deutschland liegt das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Vereinsspielern bei 16 zu 1. Aber nur eine Frau [Elisabeth Pähtz] ist unter den deutschen Top-100-Spielern vertreten* [auf Platz 71 mit einer Elo-Zahl von 2464]. Setzte man eine gleiche Leistungsverteilung zwischen den Geschlechtern voraus, müssten statistisch gesehen allerdings 6 Frauen unter den besten 100 sein. Ähnlich verhält es sich an der Weltspitze: Supergroßmeister wird ein Spieler, wenn er eine Elo-Zahl größer 2700 hat. Seit Einführung dieses Indexes im Jahr 1970 gab es 94 Spieler, die das geschafft haben. Darunter aber nur eine Frau: Die Ungarin Judit Polgár, die mit einem Höchstwert von 2735 immerhin auf Platz 40 steht. Der aktuelle Weltmeister [Magnus Carlsen] hat allerdings fast 150 Punkte mehr [2882].
Elisabeth Pähtz erklärt das schlechtere Abschneiden von Schachspielerinnen auch mit dem unterschiedlichen Eintrittsalter in die Pubertät. Frauen interessierten sich schon ab zwölf Jahren für Make-up, Kleidung und Jungs, während Männer in dieser entscheidenden Phase noch wie Kinder seien und mehr Zeit hätten sich zu verbessern: „Das ist der Vorteil, den die Jungen haben. Aus ihnen werden oft Männer, die ihr ganzes Leben nur an Schach denken können.“ [ibid.]
Ich halte diese Erklärung für wenig belastbar. Haben vorpubertäre Jungen etwa keine Alltagsprobleme zu bewältigen? Dass auch zerebrale Unterschiede [z.B. Vorteile beim räumlichen Vorstellungsvermögen] dazu beitragen könnten, dass Männer die besseren Schachspieler sind, zieht Pähtz in dem genannten Interview gar nicht erst in Erwägung.
* Da Frauen auch bei den Wettbewerben, an denen Männer teilnehmen, starten dürfen [und dies auch häufig tun] sind die Elo-Werte beider Geschlechter aufeinander abgestimmt.

*

Ich muss gestehen, dass es mir mit dem, was ich hier vorbringe, nicht um Leistungen beim Schach geht. Was mich stört, ist die zwanghafte Gleichmacherei, wenn es um das Thema Intelligenz geht. Stellt ein Verhaltensforscher biologisch bedingte Kognitionsunterschiede zwischen den Geschlechtern fest, wird er dafür angefeindet, und zwar ohne Rücksicht auf die Validität der Ergebnisse. Diese können ja nur falsch sein. Das noch größere Tabu ist aber die wissenschaftliche Beschäftigung mit Intelligenz in Bezug auf verschiedene Ethnien. Es deutet alles darauf hin, dass es signifikante Unterschiede gibt. Groß angelegte IQ-Tests haben dies immer wieder gezeigt. Doch im politisch korrekten Weltbild darf es diese Abweichungen nicht geben. Intelligenztests sind daher eine teuflische Sache. Und jeder, der die Testergebnisse auch nur teilweise biologisch deutet, macht sich sofort zur Persona non grata. Ein Forscher, der neben kulturellen Gegebenheiten und Umweltbedingungen zusätzlich genetische Faktoren ins Spiel bringt, kann schließlich nur ein Rassist sein.
Sollen potentielle Teilursachen also ausscheiden, nur weil sie auf genetischen Prinzipien beruhen? Wie verhält es sich z.B. mit diesen Punkten?

[1] Kleinvölker, die über lange Zeiträume abgeschottet vom Rest der Welt lebten, waren einem höheren Inzuchtrisiko ausgesetzt [siehe auch genetischer Flaschenhals]. [2] In einigen Kulturen wurde [und wird] die Verwandtenheirat selbst dann praktiziert, wenn es vermeidbar wäre. [3] In Regionen mit schwierigen Umweltbedingungen war Intelligenz vielleicht ein stärkeres Selektionskriterium als in solchen, wo man fürs bloße Überleben nicht ganz so viel Aufwand betreiben musste [bezieht sich insbes. auf Zeiträume noch vor dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht].

Ja, das Thema ist heikel. Und ja, es wurde in der Vergangenheit pervertiert [insbesondere in Deutschland] und es ist daher äußerste Vorsicht geboten. Dennoch: Um restlos verstehen zu können, warum unsere Welt so starke wirtschaftliche Ungleichheiten aufweist, sollte man den Faktor möglicher mentaler Unterschiede nicht von vornherein ausklammern. Die Kluft zwischen Arm und Reich lässt sich nur effektiv bekämpfen, wenn man alle Ursachen kennt.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ein Mensch sollte nie aufgrund eines Gruppendurchschnitts beurteilt werden, sondern immer als Individuum. Ersteres würde in punkto Intelligenz auch gar keinen Sinn machen, denn in jeder ethnischen Großgruppe trifft man die gesamte Spannweite kognitiver Begabung an. Und natürlich müssen alle Menschen die gleichen Grundrechte haben. Diese Rechte erhalten sie ja qua ihres Menschseins, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Intelligenz und welcher Eigenschaft auch immer. Genauso wichtig ist das Ziel, Chancengleichheit herzustellen. Das geht aber leider nur bis zu einem gewissen Grad. Es taugt beispielsweise nicht jedes Kind für einen höheren Schulabschluss wie Abitur oder Matura, selbst bei bester Förderung. Das ist an sich nichts Negatives. Problematisch wird es erst dann, wenn Eigenschaften, die man selbst kaum beeinflussen kann, zum höchsten Gut erklärt werden.

Ich denke, die sogenannte „politische Korrektheit“ beruht auch auf dem Missverständnis, dass Gleichbehandlung per se richtig ist. Es wird vielen nicht gefallen, aber de facto ist es so, dass genetische Unterschiede umso sichtbarer hervortreten, je gleicher Menschen behandelt werden.
Grundsätzlich sollte aus der Tatsache, dass ungleiche Beschaffenheit und Ungleichbehandlung meist Hand in Hand gehen, nicht die naive Vorstellung erwachsen, das Problem sei über eine wie auch immer geartete Negation von ersterem zu lösen. Es ist diese verdrehte Lesart, die dazu führt, dass Unterschiede, wie ich sie oben angeführt habe, umgedeutet oder kaschiert werden. Kombiniert man das noch mit religiösen Heile-Welt-Vorstellungen ist das Zerrbild vollständig.

Was jeden von uns verbindet, ist das Menschsein. Unsere Gleichheit vor dem Gesetz konstituiert sich allein hieraus. Alle Eigenschaften, die darüber hinausgehen, sind für die Festsetzung von Grundrechten irrelevant. Man kann daher guten Gewissens sagen: Wir sind nicht alle gleich, und es ist okay. Die Welt wäre auch verdammt langweilig, wenn es anders wäre.

Literatur

    • Dieter E. Zimmer: Ist Intelligenz erblich? Eine Klarstellung. Reinbek bei Hamburg 2012.
    • Auch dieser Essay vom selben Autor lohnt sich für eine weiterführende Lektüre.

The Hitler Easter Coincidence

Hitler’s birthday was on April 20, 1889, one day before Easter Sunday. The first year, where his birthday and the Easter Day were coincidental, was 1919, followed by 1924 and 1930.
In 1939 Hitler’s birthday was declared a national holiday in Nazi Germany. But only for this single year. The reason: Hitler became 50 in 1939. On this occasion the largest military parade in the history of the Third Reich was held in Berlin. Unfortunately [from Hitler’s point of view] the Easter Day was that year on April 9. Presumably he would have been pleased about such a coincidence on his 50th birthday, but he was unlucky: during the whole time he was in power there was no Easter Sunday on April 20.
At Easter 1945 [April 1] Hitler was already trapped in the Führerbunker. He did also celebrate his last birthday there. Ten days later he was dead.
Only in the next century Easter Sunday was again on April 20. In 2003 and yes: this year. Probably it is just irony of history that the most evil person mankind has seen and Jesus Christ share from time to time their feast day, but it leaves a strange gut feeling.
btw: there are two ‚Hitler Easter Days‘ left for this century: 2025 and 2098. The probability for Easter Sunday at April 20 is about 3.4%. The full distribution of Easter dates here.