Der XX-Faktor beim Schachspiel – oder wider die Gleichmacherei in der Intelligenzdebatte

Warum wird beim Leistungsschach eigentlich eine Geschlechtertrennung vorgenommen? Körperliche Unterschiede spielen doch beim Schach nun wirklich keine Rolle, sollte man meinen.
„Nein“, sagt Elisabeth Pähtz, Deutschlands beste Schachspielerin: „Viel hängt auch mit dem Körperbau zusammen. Männer haben mehr Energiereserven, mehr Sitzfleisch.“ [Interview hier.]

Ja, eine Partie Turnierschach kann lange dauern, bis zu fünf oder sogar sechs Stunden [je nach Regelung]. Aber erklärt das wirklich, warum Frauen so viel schlechter beim Schach abschneiden?
Klar, es gibt weniger Frauen, die Schach spielen. In Deutschland liegt das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Vereinsspielern bei 16 zu 1. Aber nur eine Frau [Elisabeth Pähtz] ist unter den deutschen Top-100-Spielern vertreten* [auf Platz 71 mit einer Elo-Zahl von 2464]. Setzte man eine gleiche Leistungsverteilung zwischen den Geschlechtern voraus, müssten statistisch gesehen allerdings 6 Frauen unter den besten 100 sein. Ähnlich verhält es sich an der Weltspitze: Supergroßmeister wird ein Spieler, wenn er eine Elo-Zahl größer 2700 hat. Seit Einführung dieses Indexes im Jahr 1970 gab es 94 Spieler, die das geschafft haben. Darunter aber nur eine Frau: Die Ungarin Judit Polgár, die mit einem Höchstwert von 2735 immerhin auf Platz 40 steht. Der aktuelle Weltmeister [Magnus Carlsen] hat allerdings fast 150 Punkte mehr [2882].
Elisabeth Pähtz erklärt das schlechtere Abschneiden von Schachspielerinnen auch mit dem unterschiedlichen Eintrittsalter in die Pubertät. Frauen interessierten sich schon ab zwölf Jahren für Make-up, Kleidung und Jungs, während Männer in dieser entscheidenden Phase noch wie Kinder seien und mehr Zeit hätten sich zu verbessern: „Das ist der Vorteil, den die Jungen haben. Aus ihnen werden oft Männer, die ihr ganzes Leben nur an Schach denken können.“ [ibid.]
Ich halte diese Erklärung für wenig belastbar. Haben vorpubertäre Jungen etwa keine Alltagsprobleme zu bewältigen? Dass auch zerebrale Unterschiede [z.B. Vorteile beim räumlichen Vorstellungsvermögen] dazu beitragen könnten, dass Männer die besseren Schachspieler sind, zieht Pähtz in dem genannten Interview gar nicht erst in Erwägung.
* Da Frauen auch bei den Wettbewerben, an denen Männer teilnehmen, starten dürfen [und dies auch häufig tun] sind die Elo-Werte beider Geschlechter aufeinander abgestimmt.

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Ich muss gestehen, dass es mir mit dem, was ich hier vorbringe, nicht um Leistungen beim Schach geht. Was mich stört, ist die zwanghafte Gleichmacherei, wenn es um das Thema Intelligenz geht. Stellt ein Verhaltensforscher biologisch bedingte Kognitionsunterschiede zwischen den Geschlechtern fest, wird er dafür angefeindet, und zwar ohne Rücksicht auf die Validität der Ergebnisse. Diese können ja nur falsch sein. Das noch größere Tabu ist aber die wissenschaftliche Beschäftigung mit Intelligenz in Bezug auf verschiedene Ethnien. Es deutet alles darauf hin, dass es signifikante Unterschiede gibt. Groß angelegte IQ-Tests haben dies immer wieder gezeigt. Doch im politisch korrekten Weltbild darf es diese Abweichungen nicht geben. Intelligenztests sind daher eine teuflische Sache. Und jeder, der die Testergebnisse auch nur teilweise biologisch deutet, macht sich sofort zur Persona non grata. Ein Forscher, der neben kulturellen Gegebenheiten und Umweltbedingungen zusätzlich genetische Faktoren ins Spiel bringt, kann schließlich nur ein Rassist sein.
Sollen potentielle Teilursachen also ausscheiden, nur weil sie auf genetischen Prinzipien beruhen? Wie verhält es sich z.B. mit diesen Punkten?

[1] Kleinvölker, die über lange Zeiträume abgeschottet vom Rest der Welt lebten, waren einem höheren Inzuchtrisiko ausgesetzt [siehe auch genetischer Flaschenhals]. [2] In einigen Kulturen wurde [und wird] die Verwandtenheirat selbst dann praktiziert, wenn es vermeidbar wäre. [3] In Regionen mit schwierigen Umweltbedingungen war Intelligenz vielleicht ein stärkeres Selektionskriterium als in solchen, wo man fürs bloße Überleben nicht ganz so viel Aufwand betreiben musste [bezieht sich insbes. auf Zeiträume noch vor dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht].

Ja, das Thema ist heikel. Und ja, es wurde in der Vergangenheit pervertiert [insbesondere in Deutschland] und es ist daher äußerste Vorsicht geboten. Dennoch: Um restlos verstehen zu können, warum unsere Welt so starke wirtschaftliche Ungleichheiten aufweist, sollte man den Faktor möglicher mentaler Unterschiede nicht von vornherein ausklammern. Die Kluft zwischen Arm und Reich lässt sich nur effektiv bekämpfen, wenn man alle Ursachen kennt.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ein Mensch sollte nie aufgrund eines Gruppendurchschnitts beurteilt werden, sondern immer als Individuum. Ersteres würde in punkto Intelligenz auch gar keinen Sinn machen, denn in jeder ethnischen Großgruppe trifft man die gesamte Spannweite kognitiver Begabung an. Und natürlich müssen alle Menschen die gleichen Grundrechte haben. Diese Rechte erhalten sie ja qua ihres Menschseins, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Intelligenz und welcher Eigenschaft auch immer. Genauso wichtig ist das Ziel, Chancengleichheit herzustellen. Das geht aber leider nur bis zu einem gewissen Grad. Es taugt beispielsweise nicht jedes Kind für einen höheren Schulabschluss wie Abitur oder Matura, selbst bei bester Förderung. Das ist an sich nichts Negatives. Problematisch wird es erst dann, wenn Eigenschaften, die man selbst kaum beeinflussen kann, zum höchsten Gut erklärt werden.

Ich denke, die sogenannte „politische Korrektheit“ beruht auch auf dem Missverständnis, dass Gleichbehandlung per se richtig ist. Es wird vielen nicht gefallen, aber de facto ist es so, dass genetische Unterschiede umso sichtbarer hervortreten, je gleicher Menschen behandelt werden.
Grundsätzlich sollte aus der Tatsache, dass ungleiche Beschaffenheit und Ungleichbehandlung meist Hand in Hand gehen, nicht die naive Vorstellung erwachsen, das Problem sei über eine wie auch immer geartete Negation von ersterem zu lösen. Es ist diese verdrehte Lesart, die dazu führt, dass Unterschiede, wie ich sie oben angeführt habe, umgedeutet oder kaschiert werden. Kombiniert man das noch mit religiösen Heile-Welt-Vorstellungen ist das Zerrbild vollständig.

Was jeden von uns verbindet, ist das Menschsein. Unsere Gleichheit vor dem Gesetz konstituiert sich allein hieraus. Alle Eigenschaften, die darüber hinausgehen, sind für die Festsetzung von Grundrechten irrelevant. Man kann daher guten Gewissens sagen: Wir sind nicht alle gleich, und es ist okay. Die Welt wäre auch verdammt langweilig, wenn es anders wäre.

Literatur

    • Dieter E. Zimmer: Ist Intelligenz erblich? Eine Klarstellung. Reinbek bei Hamburg 2012.
    • Auch dieser Essay vom selben Autor lohnt sich für eine weiterführende Lektüre.