Das zensierte Böhmermann-Gedicht im Wortlaut

Jan Böhmermann hat am 31. März 2016 im Neo Magazin Royale (ZDFneo) ein Gedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit dem Titel „Schmähkritik“ vorgelesen. Vorher wies er allerdings ausdrücklich darauf hin, dass so etwas in Deutschland nicht erlaubt sei:
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Und das, was jetzt kommt, das darf man NICHT machen. Wenn das öffentlich aufgeführt wird – das wäre in Deutschland verboten.
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Es sollten gewissermaßen die Grenzen dessen ausgelotet werden, was Satire darf und was nicht. Da das Gedicht, über das momentan alle reden, auf den gängigen Kanälen nicht mehr verfügbar ist, gebe ich es hier im Wortlaut wieder. Möge sich jeder sein eigenes Urteil darüber bilden.
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Edit: Da 18 von 24 Zeilen des Schmähgedichts dauerhaft verboten bleiben, hier ersatzweise der Link zu einem Screenshot (Quelle NTV) aus dem Anhang der Pressemitteilung des Hamburger Landgerichts (verbotene Zeilen in Rot).

Eine komplette Wiedergabe des Gedichts und des dazugehörigen Kontexts gibt es weiterhin in diesem Spiegel-Artikel.

7 Gedanken zu „Das zensierte Böhmermann-Gedicht im Wortlaut“

  1. Es bringt doch für die Diskussion gar nichts, das Gedicht herausgestellt aus dem Zusammenhang zu bringen. Das sogenannte Schmähgedicht war Teil eines rund 5-minütigen Beitrags und diente angekündigt als Lehrbeispiel dafür, was man nicht machen dürfe. Um den Vorgang zu beurteilen, braucht es nicht nur die Wiedergabe des Gedichts, sondern des gesamten Beitrags. Dann klärt sich eine Menge – und die negativen Reaktionen auf diese Satire (wohgemerkt eines 5 minütigen Beitags) werden sehr fragwürdig. Unsere Republik hat sich seit Harald Schmidts "Polenschmähungen" sehr verändert, und nicht zum Besseren. Die Sendung hätte eigentlich erneut einen Grimmepreis verdient.

  2. Auch wenn man schreibt, dass man sowas nicht macht dürfte, wurde das Gedicht trotzdem geschrieben. Und die Wortwahl hat nichts mit (berechtigter) Kritik an Erdokans Politik zu tun, sondern ist unter der Gürtellinie. Wie würde es euch gefallen, so einen Text mit Eurem Namen in der Zeitung zu lesen und zu wissen, dass alle Nachbarn das auch gerade lesen?

  3. Das würde niemandem gefallen. Das Gedicht ist geschmacklos, unanständig und bar jeglicher Vernunft. Allerdings war das ja genau die Intension von Böhmermann. Er wollte zeigen, dass es auch in Deutschland Grenzen gibt, und hat bewusst in Kauf genommen, dass er dafür abgestraft wird. Dass er mit dem Gedicht eine diplomatische Staatskrise auslösen würde, hat er aber wohl auch nicht zu hoffen vermocht.

  4. Jochens Kommentar zeigt das, was ich oben angesprochen hab. (Wie viele Kommentare in vielen Blogs von vielen Menschen, die die Sendung eben nicht gesehen haben.) Das Gedicht war Teil eines rund fünfminütigen Beitrags und wurde explizit von Böhmermann vorgetragen, um ein Beispiel zu bringen, was man – im Gegensatz zu dem extra3-Lied, für das bereits der Botschafter einbestellt wurde – nicht machen dürfe. ALS BEISPIEL! Nach dem Motto, das ist ein guter Apfel (sprich: rechtlich nicht zu beanstanden. Das Extra3-Lied), das wäre ein schlechter Apfel (sprich: so etwas, wie das, was ich jetzt beispielhaft zeige, dürfte man nicht. Schmähungen.) Es war das Beispiel für eine Schmähung, in die er sämtliche Klischees der Beleidigung gepackt hat, um es deutlich zu machen.) Er hat sich aber nicht mit diesen geäusserten Schmähungen gemein gemacht, sogar den Beifall unterbunden. Und es klar als Beispiel für eine Grenzüberschreitung gebrandmarkt.
    Die ganze Aufregung wurde leider noch dadurch weiter geschürt, dass das ZDF den Beitrag aus der Mediathek entfernt hat, so dass sich niemand mehr ein eigenes Bild machen kann. Stattdessen wird jetzt das Schmähgedicht ständig aus dem Zusammenhang gerissen.
    Es gibt einen Präzendenzfall, in dem ein Professor auch entsprechende Beispiele vortragen durfte, obwohl sie beleidigenden Inhalts waren, um eben durch diese Beispiele etwas klar zu machen. Nichts anderes hat Böhmermann vor etwas größerem Auditorium (ZDFneo-Gucker) in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags gemacht…

  5. Ein Aufreger, klar! Aber solche Staatsaffäre? Das hätte ich selbst nicht gedacht, speziell nach dem ganzen Je-suis-charlie-Geheuchel. Hat eigentlich irgend jemand mal Charlie Hebdo gelesen? Da geht es satirisch aber um einiges härter zur Sache als bei Böhmermann! Und trotzdem waren es in Sachen Charlie ja nicht nur Trauermärsche, sondern ganz klar auch Bekundungen und Demonstrationen für die Satirefreiheit! Und beim viel Harmloseren knicken die Gleichen jetzt ein, statt unsere Werte hochzuhalten. Okay, wir kennen die politische Grosswetterlage, wissen warum… Für die rechtliche Bewertung ist es übrigens egal, ob der erklärende Vergleich während einer Vorlesung oder innerhalb eines satirischen Beitrags im mit Bildungsauftrag versehenen öffentlich-rechtlichen Rundfunks stattfand. Bzw. letzteres ist sogar doppelt geschützt. Da kommt die Satirefreiheit noch dazu. (Zudem gibt es in Deutschland noch immer den subjektiven Tatbestand, also Böhmermanns Vorsatz fehlte, vielmehr hat er in dem Beitrag mehrmals klargemacht, dass er sich von den Beleidigungen distanziert.) Die Staatsanwaltschaft würde normalerweise einstellen, bleibt die Frage, wie sie evtl. mit dem politischen Druck umgeht. (Merkel verweist auf die Justiz, die Staatsanwaltschaft gibt den Staffelstab an die Richter weiter…)

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